DEUTSCHLAND LIEBEN

RHEditorial Mai 2024

Der Deutsche ist sich selbst oft sein größter Kritiker, las ich kürzlich. Ob in Parlamentsdebatten, Talkshows, Leitartikeln oder an Stammtischen, überall werde Pessimismus und Abstiegsangst verbreitet, ein Land im Niedergang, das den Herausforderungen nicht mehr gewachsen sei und kurz vor dem Kollaps stehe. Die Gründe für diese schlechte Stimmung kennen wir alle, die ideologiegetriebene Einwanderungs- und Klimapolitik der letzten Jahre hat der arbeitenden Bevölkerung in diesem Land tatsächlich eine schwere Hypothek auferlegt. Gut gemeint ist auch daneben, fällt mir dazu ein – nur, wem hilft das ganze Klagen? Wir wissen doch, dass man sich über die Zeit in eine Negativspirale hineindenken kann, aus der man dann nur schwer wieder herauskommt. 

Wechseln wir aber die Perspektive, dann finden wir doch etliche gute Gründe, Deutschland auch heute zu lieben, las ich weiter. So geht der erste Blick zurück in die Vergangenheit, in ein Land der Erfinder und Wissenschaftler, von deren Schöpfungen bis heute alle Menschen auf dem Globus profitieren: Mit Gutenbergs Druckerpresse, Zuses erster, auf einem binären Zahlensystem beruhender Computer, der „X-Strahlung“ von Conrad Röntgen als Revolution der medizinischen Diagnostik und der Relativitätstheorie eines Albert Einstein sind nur wenige benannt. Die Erfindung des ersten Autos von Carl Benz aus dem Jahr 1885 bewegt bis heute die ganze Welt. 

In Deutschland haben wir 25.000 Burgen und Schlösser und 52 Weltkultur-Erbestätten. Der deutsche Wald ist mit geschätzt 90 Milliarden Bäumen, durchzogen von zahllosen Wanderwegen, Mythos und grandioser Erholungsraum zugleich. Unser Land hat Titanen der Musik, Literatur und Aufklärung wie Bach, Goethe und Kant hervorgebracht, Beethovens 9. Symphonie ist mit Schillers „Freude schöner Götterfunken“ Europas Hymne bei offiziellen Anlässen der Europäischen Union.

Hinter China und den USA ist Deutschland die drittgrößte Exportnation der Welt, unser Land liefert immer noch Masse und Klasse zugleich, „Made in Germany“ ist bis heute DAS Qualitätssiegel. Deutsche Autos gelten nach wie vor als die besten der Welt. Internationale Unternehmen wie Tesla und Intel bauen bei uns Produktionsanlagen. WIR sind das Land des Mittelstandes, 99 % aller Unternehmen sind kleinere und mittlere Betriebe.

Mit mehr als 80 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste sind wir unter den Top Ten der beliebtesten Reiseländer Welt. Nur die englischsprachigen USA und Großbritannien sind für Studenten ein noch attraktiveres Gastland. Unsere Hauptstadt ist voll, laut und verrückt, aber sie zieht mit ihren Museen, Clubs, Bühnen und der berühmten Currywurst (!) Touristen aus der ganzen Welt weiterhin magisch an. Uns selbst garantiert der Deutsche Pass nahezu grenzenlose Reisefreiheit.

Wir können stolz sein auf die deutsche Wiedervereinigung, so friedlich ist das bislang kaum einem anderen Land gelungen. Und wenn die 102jährige Margot Friedländer, eine der letzten Überlebenden des Holocaust, nach all dem Schrecken der Vergangenheit die Kraft aufbringt, in ihre Geburtsstadt Berlin zurückzukehren und hier als Zeitzeugin zu wirken, frei von Hass, mit dem Ziel, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, empfinde ich das als Vorbild und auch als Motivation zur Bewältigung der großen Krisen der Gegenwart.

Denn ohne Frage stellen uns heute Klimawandel, Krieg in Europa und Flüchtlingsströme vor große, globale Herausforderungen. Die bisherige, staatliche Mission dazu, mit einem Mix aus Welt-Errettung und Belehrung, ist jedoch gescheitert, sie wird von den meisten Menschen im eigenen Land nicht (mehr) getragen. Die neue Zeit verlangt eine politische Führung mit Klarheit, Klugheit, Besonnenheit und Stärke. Nur so bleiben wir handlungsfähig und Vorbild zugleich. 

In diesem Sinne herzlich Ihr

Ernst-M. Ehrenkönig · CEO & Managing Partner