RHEditorial Dezember 2021

Wach bleiben

Die meisten von uns wissen es noch aus der Schule:
Die freie Presse in Deutschland ist eine demokratische Instanz. Sie ist die Vierte Gewalt im Staate, weil sie staatliches Handeln kritisch hinterfragt, Hintergründe aufdeckt und Missstände öffentlich macht, weil sie schreibt, was ist.

Was wirklich ist, haben wir in den letzten Jahren nicht immer erfahren. Politik und Medien haben Gefallen aneinander gefunden, staatliche Finanzierung über Rundfunkgebühren, Presseförderung und Einnahmen aus staatlicher Werbung erzeugen eher „Staatsnähe“ als die für eine gesunde Demokratie doch so wichtige „Staatsferne“.

So macht man es sich in Pressekonferenzen, Interviews und Talkshows gemütlich und nickt sich wohlwollend zu – dem Eindruck nach oft mehr Regierungs-PR als bohrendes Nachfragen. Das entstehende Vakuum füllen dann andere, zum Teil mit zweifelhaften Absichten, zum Teil aber auch mit naheliegenden Fragen, die den Machern der Meinung selten willkommen erscheinen. „Schleichend ist der Journalismus dazu übergegangen, Skepsis und Kritik als schädlich zu stigmatisieren“, schreibt Tim Röhn, selbst Journalist, in der WELT. Er hadert öffentlich mit seinem Berufsstand, ihn schaudere es, wenn Journalisten sich dazu berufen fühlten, „die Kritik als Unsinn abzustempeln und als Verteidiger der Mächtigen einzutreten“.

Genau das ist eine Gefahr. Denn wenn Journalisten nicht genau hinschauen, wenn Sie ihre zentrale Aufgabe vernachlässigen, wenn sie unkritisch bleiben, steht tatsächlich viel auf dem Spiel. Erst recht, wenn mit Hilfe der Medien umstrittene Regierungsentscheidungen durchgedrückt werden sollen.
Dann geht es um unsere Freiheit.

Und so sehe ich mehr und mehr Sorgenfalten in den Gesichtern von Freunden und Bekannten, die den Verlust eben dieser Freiheit in Deutschland befürchten und fassungslos sind, wie willfährig Journalisten diese Entwicklung entweder ausblenden oder befördern – und damit auch denen eine Plattform geben, deren gute Absichten eher zweifelhaft erscheinen.

Nun leben die Medien davon, die Lauten in den Vordergrund zu schieben, und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Wer tönt, ist medial präsent. Ganz gleich, wie fundiert seine Aussagen sind. Sei es die panische Ansage, wonach es nach dem EM-Finale im vollbesetzten Wembley-Stadion Tausende Corona-Tote in England geben werde, sei es die Angst davor, durch den Gullydeckel in die Beine geimpft zu werden. Der Lärm wird gedruckt und versendet, bringt aber keinem etwas und richtet meist nur Schaden an.

In dieser schwierigen Zeit haben Politik und Wissenschaft oft widersprüchlich, planlos und aktionistisch agiert, erschienen nicht wenigen Menschen als Profiteure der Angst. Umso mehr sind wir alle aufgerufen, hellwach und skeptisch zu bleiben. Und gerade Journalisten sollten FÜR UNS ALLE kritisch sein, nach Motiven und Hintergründen suchen, immer bereit, die wirklich unangenehmen Fragen zu stellen. Lieber eine zu viel, als auch nur eine zu wenig. Denn DAS ist ihr Job.

Und weil nun die Zeit der Wünsche ist, wünsche ich uns einen Journalismus, der kein Aktivismus ist, der die Politik in die Verantwortung nimmt, der nicht mit Mächtigen kumpelt und nicht verächtlich auf kritische Bürger herabblickt, der Sorgen und Ängste ernst nimmt, der genau hinschaut. „Journalismus ist ein Ringen um die Wahrheit“, sagt Tim Röhn.
Und dieses Ringen hört nicht auf – auch nicht 2022.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine wunderbare Weihnachtszeit,
möge das neue Jahr ein gutes Jahr für uns alle werden !

Ihr

Ernst-M. Ehrenkönig

CEO/ Managing Partner

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