Aus Steinen Schönes bauen
Wie geht es weiter? Diese Frage stellen sich zu Beginn des neuen Jahres wohl alle Akteure auf dem Immobilienmarkt. Die große Party ist ja vorbei und die Unsicherheit ist groß, aktuell geht die höchste Inflation seit den 1970ern Jahren mit einer schwächer werdenden Konjunktur und steigenden Zinsen einher. Beide letztgenannten Faktoren wirken negativ auf den Immobilienmarkt ein.
Jede Vorhersage ist heute schwierig. Die Momentaufnahme gestattet dennoch eine vorsichtige Prognose für die einzelnen Assetklassen:
Im Einzelhandel wird sich mit Ausnahme der Nahversorgung die Konsolidierung weiter fortsetzen, Insolvenzen werden die Mietausfallrisiken erhöhen und die Nachvermietung in Nebenlagen wird schwerer werden. Ausnahmen bilden hier das in den Toplagen der Innenstädte angesiedelte krisenfeste Luxussegment. Der Lebensmitteleinzelhandel und andere Nahversorger werden den Immobilien Stabilität verleihen, denn dieser Bereich profitiert schon heute von der hohen Zuwanderung und dem zunehmenden Arbeiten von zuhause. Bestehende Shoppingcenter mit einem großen Angebot verschiedener Einzelhandelsgeschäfte werden sich wie schon in den letzten Jahren zum Teil neu erfinden und alternative Nutzungen schaffen müssen. Das bringt einen großen Bedarf an Umplanung und Umbau mit sich und stellt eine Chance für finanzstarke Projektentwickler dar.
Am Markt der Büroimmobilien lässt sich bereits jetzt eine sinkende Flächennachfrage feststellen. Bislang brachte jede Rezession auch einen Rückgang des Flächenumsatzes mit sich und so dürfte der Leerstand in nächster Zeit eher weiter zunehmen. Etliche Projektentwicklungen liegen mittlerweile ja schon auf Eis. Allerdings könnte in zwei bis drei Jahren das fehlende Angebot moderner Flächen zu einem Nachfrageüberhang und damit wieder zu steigenden Preisen in den gefragten Lagen führen.
Der inflationsbedingte Verlust an Kaufkraft und drohende Insolvenzen werden sich auch auf die Nachfrage nach Logistikflächen auswirken. Der nach der Pandemie schwächer gewordene Onlinehandel kann das nicht ausgleichen. Andererseits stehen für immer mehr Menschen vergleichsweise wenig geeignete Logistikflächen am Markt zur Verfügung, die zunehmende Verdichtung der Innenstädte wird die Flächenknappheit auf der „last mile“ noch weiter verstärken. Damit werden Logistikflächen zumindest mittelfristig wieder sehr gefragt sein.
Die Nachfrage nach Wohnungen hat sich schon wegen der hohen Zuwanderung nicht abgeschwächt. Im Gegenteil, diejenigen, die aufgrund hoher Zinsen aktuell kein Eigentum kaufen können, weichen zwangsläufig auf den Mietwohnungsmarkt aus. Mangels Angebots haben sie es dort schwer, geeignete Wohnungen zu finden, die nachlassende Neubautätigkeit verstärkt dieses Problem. Die Politik versucht gegenzusteuern und erhöht die steuerlichen Anreize durch Erhöhung der linearen AfA auf 3 %.
20 % der Baukosten für nachhaltige Gebäude sollen künftig über vier Jahre abgeschrieben werden können. Gleichzeitig lassen die Klimaziele für den Deutschen Immobilienbestand die gesetzlichen Vorgaben im Wohnungsbau weiter anwachsen. Der damit verbundene finanzielle und bürokratische Aufwand für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden könnte für kleine und mittelgroße Bestandshalter zum echten Problem werden.
Die Zinswende, die im vergangenen Jahr am Markt der Investmentimmobilien ein Schockmoment bewirkt hat, dürfte mittlerweile abgeschlossen sein. Das bringt zumindest Klarheit auf der Käuferseite, wo die eigenkapitalstarken Investoren vermutlich weiterhin die Hauptrolle spielen werden, nutzen sie ja bereits jetzt die gesunkenen Vervielfältiger für den Erwerb solider Wohnanlagen.
Auf der Verkäuferseite haben einige große Eigentümer, die Ihre Buchwerte in den Bilanzen nach unten korrigieren müssen, bereits angekündigt, sich von einem Teil Ihrer Bestände trennen zu wollen. Erzwungene Verkäufe bei Miethäusern dürfte es jedoch nur in Ausnahmefällen geben, zum Beispiel wenn kurzfristige Finanzierungen „auf Kante“ abgelöst werden müssen. Anders ist bei den Projektentwicklungen; hier könnte dem einen oder anderen Mutigen, der noch zu hohen Preisen mit viel Fremdkapital eingekauft hat, am Ende noch die Puste ausgehen.
Eines steht fest – 2023 wird eine Herausforderung für uns alle bleiben. Am besten halten wir es daher mit Deutschlands größtem Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der sagte:
„Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“
In diesem Sinne
Delano Kyles/ CEO & Managing Partner