Bildung für ein besseres Leben
Kürzlich habe ich der Schulleitung meines Sohnes vorgeschlagen, die Smartphones der Schüler vor dem Unterricht doch einfach einzusammeln und erst mit Schulschluss wieder auszuhändigen. Denn Parallelen zwischen schlechten Leistungen und häufigen Ermahnungen wegen Nutzung der kleinen Energieräuber im Unterricht seien doch offenkundig. Erst gab es ein „nein, aber danke“, man setze auf das Verständnis und den Dialog mit den Kindern. Nach einigen Wochen offenbar erfolglosen Dialogs soll es nun doch umgesetzt werden, die Smartphones werden eingesammelt. Außer etwas Murren wird das wohl ohne größeren Widerstand erfolgen, bürgerliches Verhalten, sollte gehen, möchte man denken.
Aber nicht überall. So berichtete vor kurzem ein junger Lehrer aus seinem Berufsalltag, seinem täglichen Leben in einer Plattenbausiedlung in Berlin-Hohenschönhausen. Er habe gern als Lehrer angefangen, beseelt von dem Wunsch, den Kindern Musik und (!) Mathematik näherzubringen. Kindern, die zu 70 % aus deutschen Familien kommen, der Rest ein buntes Durcheinander: Überwiegend Araber, Asiaten, Russen und Polen. Also keine Verhältnisse wie in Neukölln etwa, wo es in manchen Klassen keine Kinder mehr ohne Migrationshintergrund gibt. Dennoch mit vielen bildungsfernen Elternhäusern, dysfunktional, mit Alkohol- und Drogenproblemen.
Liebevolle Erziehung sei hier die Ausnahme, Verrohung und Verwahrlosung oftmals die Regel. Bedrohungen, Prügeleien, sexuelle Gewalt auf dem Pausenhof und maßlose verbale Aggression „Fick dich, Hurensohn, fick deine Mutter, Hure, Nutte, Schlampe, geh sterben, dich braucht keiner“ treffen auf gleichgültige Eltern, von denen viele die Schule und alle stattlichen Institutionen verachten. Erkläre man, warum man dem Kind das Handy abgenommen habe, heißt es hier schlicht: „Halten Sie die Fresse.“
Krisenmanagement statt Unterricht, fast schizophren müsse man sein oder werden, um das jeden Tag auszuhalten. Und wenn wir jetzt glaubten, wir seien weit genug weg davon, dann irrten wir; wenn diese Generationen als Zeitbomben ins Leben entlassen werden, würden auch unsere bürgerlichen Bezirke nicht davon verschont bleiben.
Es gibt ihn also, den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg. Und den Bildungsnotstand, den Lehrermangel (was Wunder!), Unterrichtsausfälle, ein stetig sinkendes Leistungsniveau und einen kontinuierlich hohen Anteil von Jugendlichen ohne Schulabschluss. Nicht mehr allein als individuelles Risiko für die betroffenen Kids, sie werden zu sozialen und wirtschaftlichen Belastungen für die gesamte Gesellschaft.
Wundern muss uns das alles nicht, angesichts einer jahrelangen Politik, die von einer offenen Gesellschaft träumt, gerne die ganze Welt auf einmal retten will und dabei vor lauter Moral die Wirklichkeit konsequent ausblendet. Einer Politik, die auf Bewährtes verzichtet, ideologische Scheuklappen trägt, es immer allen und natürlich auch den eigenen Akteuren recht machen will und durch Umverteilung und staatliche Geschenke mehr und mehr Abhängige (Wähler!) statt mündige Bürger schafft.
Der dramatische Verlust an Respekt vor staatlichen Institutionen und deren ausführenden Repräsentanten erscheint so als logische Folge einer Entwicklung, bei der es letztlich um nichts weniger geht als um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und seiner nächsten Generationen.
Denn Bildung, so schreibt immerhin die entsprechende Bundeszentrale, soll die Persönlichkeit entwickeln und ein erfülltes Leben ermöglichen, gut ausgebildete Fachkräfte für den Arbeitsmarkt bereitstellen und unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig halten. Bildung soll Frieden und Demokratie sichern und unser kulturelles Wissen über die Generationen weitergeben.
Daher darf der geforderte, nationale Bildungsgipfel auch nicht der Politik allein überlassen bleiben. Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, die Zivilgesellschaft, Schüler und Eltern sind hier genauso gefordert.
Es geht tatsächlich um die Chancen und Rechte unserer Kinder, darum, deren Talente und Begabungen zu fördern und sie so auf dem Weg in ein glückliches Leben zu begleiten. Vielleicht setzt genau dieser Gedanke in jedem von uns die Kräfte frei, die wir brauchen werden, um umzudenken, umzulenken und gemeinsam einen neuen Weg zu finden.
In diesem Sinne
Herzlich Ihr
Ernst-M. Ehrenkönig / CEO & Managing Partner