RHEditorial Juni 2021

WOHNRAUM SCHAFFEN, STATT EIGENTUM WEGNEHMEN

Vor einigen Tagen stieg ich mit meinem älteren Sohn am Leipziger Hauptbahnhof in ein Taxi. Mit dem Fahrer, Mitte 60, kam ich schnell ins Gespräch. Uwe, ein Sachse durch und durch, etwas knorrig, aber sehr wach. Als wir an einem größeren Gebäude vorbeifuhren, sagte er: „Da vorne, da war der Volkseigene Betrieb VEB Taxi, da habe ich früher gearbeitet, vor der Wende.“ Und erzählte von seiner Ausbildung zum Kraftfahrzeugschlosser, von seiner Arbeit in Leipzig und von seinem Schicksalstag, damals in der DDR.

An jenem Tag blieb vor dem VEB-Gebäude ein Mann mit seinem Wagen liegen, einer der wenigen Besucher aus dem Westen. Uwe kam auf die Straße herunter und konnte den Schaden schnell beheben. Überwältigt von der Hilfeleistung gab der Mann Uwe 20 West-Mark und schickte drei Wochen später noch ein Dankesschreiben hinterher. Das las auch die Stasi.

Uwe musste ins Verhör. „Du hast dem Klassenfeind geholfen!“ Uwe versuchte sich zu rechtfertigen. „Du kooperierst mit dem Westen!“ Es kam, was kommen musste, Uwe wurde gedemütigt, degradiert und verlor seinen Job, VEB Taxi schloss ihn aus. Das ohnehin schon schwierige Leben in der DDR wurde danach noch schwieriger.

Schaut Uwe heute auf unser vereintes Land, schüttelt er den Kopf, wenn er politische Forderungen nach Enteignung von Wohnungskonzernen hört. „Was glaubt ihr denn, wo das landet, was enteignet wird? Natürlich nicht bei denen, die es dringend brauchen.  Es gelangt in den Staatsapparat und schafft dort neue Verfügungsmasse, über die regiert werden kann. Über die Jahre verkommen die Gebäude, weil niemand motiviert ist, sie zu erhalten. So etwas schafft noch mehr Abhängige. Am Ende geht es fast allen schlechter. Nur denen, die das staatliche Vermögen verwalten, geht es besser.“

Uwe hat Recht. Schon der Kauf von Miethäusern in den Milieuschutzgebieten Berlins über Ausübung staatlicher Vorkaufsrechte schafft trotz Millionen von Steuergeldern nicht eine einzige neue Wohnung. Nur ein größeres Angebot kann die Preise senken, nicht ideologische Gewaltmanöver. Das bedeutet: Wir müssen bauen, bauen und noch mal bauen! Dafür müssen wir Baugenehmigungsverfahren deutlich beschleunigen, Bauvorschriften vereinfachen und das Bauen damit kostengünstiger machen.

Wir können mit erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten steuerliche Anreize für den Bau bezahlbarer Mietwohnungen schaffen. Staatliche Zuschüsse sollten wir personenbezogen dorthin vergeben, wo sie dringend für bezahlbares Wohnen gebraucht werden. Und mit der Absenkung der Grunderwerbsteuer den Menschen dabei helfen, ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Das ist auch Altersvorsorge und gleichzeitig Übernahme von Verantwortung durch mündige Bürger.

Wohnraum schaffen, statt anderen das Eigentum wegzunehmen. Das ist sozial.

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Juni!

Herzlich,

Ernst-M. Ehrenkönig
CEO/ Managing Partner

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